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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 09.11.2018


Ein Rückblick auf das Jazzfest Berlin 2018 von und auf AVIVA-Berlin
Silvy Pommerenke

Das Jazzfest 2018 wurde mit großer Spannung erwartet, denn Nadin Deventer hat dieses Jahr zum ersten Mal die Leitung dieses renommierten Festivals übernommen. Seit seinem Bestehen seit 1964 wurde der Staffelstab somit zum ersten Mal an eine Frau überreicht.




Aber Deventer ist keine Unbekannte im Kulturbereich, denn zum einen hatte sie bereits seit 2015 die Produktionsleitung des Jazzfest Berlin als Nachfolgerin von Ihno von Hasselt inne. Zudem ist sie seit 2012 im Vorstand des Jazz Network und war unter anderem als Projektmanagerin für die Vorbereitung von RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas tätig.
Und auch wenn Deventer nicht mit der Absicht angetreten ist, alles anders zu machen, so ist ihr Ansatz dennoch ein konzeptionellerer als in der Vergangenheit. So setzte sie fünf Schwerpunkte (der Fokus lag etwa auf afroamerikanischen Jazz, die Musikszene Chicagos spielte eine wichtige Rolle und es wurde ein besonderer Blick auf die europäische Szene geworfen, aus der zehn verschiedene Länder beteiligt waren). Zusätzlich hat sie die einzelnen Festivaltage dramaturgisch inszeniert, beispielsweise den "Friday Blast", den "Hyperactive Saturday" oder den "Melancholic Sunday". Ein weiteres Novum war, dass zeitgleich verschiedenste Veranstaltungen stattgefunden haben und das Festspielhaus in seiner ganzen Größe genutzt wurde. Von der unteren Bühne über die Kassenhalle bis hin zur großen Bühne und den Foyers wurde alles bespielt. Auch die Beleuchtung bzw. Lichtinstallationen waren dieses Jahr anders.

Durch Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien in Köln mit Professor Mischa Kuball entstand dieses neue Konzept, wodurch alles lichter und offener wirkt. Mit dieser neuen Form des Festivals spricht Nadin Deventer vor allem ein jüngeres Publikum als bisher an, die den Event-Charakter eines Festivals mehr schätzen als den kontemplativen Konzertbesuch, und die einem Wandelkonzert mehr abgewinnen können, als konzentriertem Stillsitzen. Auch wenn die ein oder der andere dadurch vielleicht akustisch etwas überfordert war, so zeigte sich der Großteil des Publikums überzeugt davon. Somit hat sich Deventer ihre Lorbeeren weidlich verdient und ist eine würdige Nachfolgerin von Richard Williams.

Einzig leidlich waren einige Interviews vorab und auch noch während des Festivals, die von männlichen Kollegen geführt wurden. Nadin Deventer wurde dabei wenig auf das Programm des Jazzfests angesprochen, sondern sie musste sich erklären, ob es DEN weiblichen Blick auf Jazzmusik gebe, ob man(n) einer Frau solch eine Leitung überhaupt zutrauen könne und ob sie das Festival tatsächlich stemmen würde. Bewundernswert waren die Reaktionen von Deventer, die überaus geduldig diese nervtötenden Fragen beantwortete, und wirklich nur ein ganz klein wenig genervt davon war. Eigentlich fehlten nur noch die Fragen, ob Frauen überhaupt intellektuell in der Lage seien, Jazz zu hören (geschweige denn zu spielen) und ob das fehlende Jazz-Gen von Frauen sie nicht per se davon abhielten. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Diskussionen im nächsten Jahr nicht mehr stellen, sondern dass der diesjährige Erfolg von Deventer dazu führt, dass die Musik und das Konzept im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen.

Dieses Jahr waren auch erfreulich viele Frauen auf der Bühne. Angefangen von der New Yorker Gitarristin Mary Halvorson, der diesjährigen Artist in residence, über die Trompeterin Jamie Branch, bis hin zur griechischen Pianistin Tania Gianulli mit ihrem Trio oder der texanischen Sängerin Jazzmeia Horn – um nur einige zu nennen. Mary Halvorson spielte dabei insgesamt vier Konzerte auf dem Festival, plus dem Abschlusskonzert mit Bill Frisell. Claudia Schober vom NDR Kultur fasst die Einzigartigkeit von Halvorson so zusammen: "Mary hat einen sehr eigenen Anschlag und eigenen Sound mit sehr vielen Feinheiten ... sehr strukturiert und sehr klar, aber trotzdem kreativ". So benutzt Halvorson auch sehr wenig Effekte und konzentriert sich stattdessen auf das eigentliche Gitarrenspiel und auf die Noten, weil alles andere zu einfach wäre. Genau dadurch entsteht diese Klarheit ihres Spiels.

AVVA-Tipp: Das Jazzfest Berlin hat für vier Tage allen JazzenthusiastInnen eine Menge großartiger MusikerInnen präsentiert. Unter der neuen Leitung von Nadin Deventer wurde dem Festival ein moderneres Image verpasst, das den Zeitgeist besser repräsentiert und damit auch ein jüngeres Publikum anspricht. Für diejenigen, die das Festival verpasst haben sollten bietet Deutschlandfunk Kultur unter der Rubrik "in concert" die Möglichkeit, das ein oder andere Konzert nachzuhören. Die genauen Sendetermine stehen jedoch noch nicht fest.

Jazzfest Berlin

www.berlinerfestspiele.de

Das Jazzfest Berlin 2019 findet vom 31. Oktober bis 3. November 2019 statt.

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Beitrag vom 09.11.2018

Silvy Pommerenke